Wie im 1. Teil mit ausführlichen Beispielen beschrieben wurde, zeigen sich bei pubertierenden Hunden - oft ganz überraschend - Verhaltensänderungen.
Häufig fragen mich im Welpen- oder Junghundekurs interessierte HundehalterInnen, wann es denn eigentlich losgeht mit der Pubertät oder wann es denn endlich wieder vorbei sein wird.
Generell ist zu sagen, dass die Geschlechtsreife beim Hund rasseabhängig mit ungefähr fünf bis acht Monaten oder auch erst mit einem Jahr einsetzt. Bei den Rüden merkt man es unter anderem daran, dass beim Pinkeln plötzlich das Bein gehoben wird und sich der Jugendliche auf einmal immer mehr für Hündinnen interessiert – manche Jungrüden werden dabei richtig gehend lästig, bedrängen oder reiten auf. Bei den Hündinnen ist es durch die erste Läufigkeit gekennzeichnet, wobei man schon wenige Wochen oder Tage vorher mehr oder weniger Verhaltensänderungen erkennen kann. Manche Hündinnen werden „zickig“, andere besonders anschmiegsam oder hypersensibel bis ängstlich.
Es ist bei jedem Hund ein bisschen anders, aber bei beiden Geschlechtern treten meist schon einige Zeit vor der Geschlechtsreife Verhaltensänderungen auf, die uns zeigen können, dass unser junger Hund nun in die Pubertät kommt.
Manche Hunde beginnen regelrecht zu „flegeln“ und scheinen die Ohren für ihre Zweibeiner auf Durchzug zu stellen, andere werden (wieder) unsicherer bis ängstlich, etc. Bei dem einem Hund merkt man es sehr deutlich, beim anderen kommt es eher schleichend - aber eines ist sicher, in die Pubertät kommt jeder Junghund. Der eine früher, der andere später!
Mit Eintreten der Geschlechtsreife ist der Hund noch lange nicht erwachsen und ausgereift, denn dies ist nur ein Teil des Heranwachsens. Bis die gesamte Dauer der Entwicklung zum erwachsenen Hund abgeschlossen ist, dauert es gut noch zwei Jahre (oder auch länger), denn dies ist wiederum abhängig von Rasse, Geschlecht und individueller Reifung des Hundes.
… aber WARUM verändert sich der junge Hund auf einmal derart?
Zuerst einmal ist wichtig: dein Hund will dir nicht deine Nerven rauben, er macht dir nichts bewusst „zu Fleiß“ und er möchte auch nicht die Weltherrschaft an sich reißen, weil er plötzlich wiederholt seine Grenzen austestet. Er versteht in dieser Zeit nicht, warum er nicht doch einmal etwas klauen oder die teuren Schuhe von Herrchen zerbeißen darf. Er „KANN“ derzeit wirklich nicht anders, denn beim Junghund tut sich in dieser Phase einiges - sowohl physisch, als auch psychisch. Die Veränderungen im Verhalten sind physiologisch völlig normal, denn schließlich wirkt ein Cocktail aus Hormonen (Stresshormone, Sexualhormone, Prolaktin und einiges mehr) auf den Hund ein. Im Hundehirn finden zu dieser Zeit wichtige Umstrukturierungen statt.
Man kann sich das Gehirn des pubertierenden Hundes sozusagen als „Baustelle“ vorstellen, wo sich gerade sehr viel verändert und erneuert wird. Genau betrachtet besteht ein temporäres Frontalhirndefizit. Dieser Teil des Gehirns ist für die Impulskontrolle und Risikoabschätzung zuständig, was das häufig plötzliche Auftreten von "Alles sofort wollen" erklärt.
Auch das Dopamin – Botenstoff und sogenannte Selbstbelohnungsdroge im Gehirn - spielt dabei eine wichtige Rolle, da es ein Verstärkersystem für innere Impulse ist. Dieses System ist in der Zeit der Pubertät am stärksten ausgebildet und erklärt, warum sich dein Tier plötzlich mit selbstbelohnendem Verhalten - wie etwa dem Klauen von Essen - immer wieder seinen „Dopamin-Kick“ holt.
Auch das emotionale Bewertungszentrum des Gehirns (die Amygdala oder der Mandelkern) spielt dazu eine Rolle, da es sich in dieser Zeit vergrößert und der Hund damit empfindlicher und intensiver auf Reize aus der Umwelt wird. Emotionalen Reaktionen können daher heftiger ausfallen.
Zusätzlich wird während der Pubertät in der Nebennierenrinde auch vermehrt das Stresshormon Cortisol produziert, was wiederum zu erhöhter Stressanfälligkeit führen kann. Dass Stress dann der Auslöser für gewisse Überreaktionen wie Aggression und Angst ist, muss ich hier bestimmt nicht weiter erklären.
Eines ist also sicher. Junge Hunde testen einerseits ihre Grenzen aus und stellen damit unsere Geduld auf die Probe, andererseits werden aber auch sie wieder ängstlicher und unruhiger – die sogenannten „Spooky-Phasen“ (oder „Fremdelphasen“) treten auf. In dieser Zeit fürchten sich die Vierbeiner plötzlich vor, für den Menschen oftmals nicht ersichtlichen, Dingen oder werden in eigentlich bereits bekannten Situationen unsicher. In diesem Tanz der Emotionen ist eines besonders wichtig: das Bewahren von Ruhe der Zweibeiner.
Unter all diesen Aspekten ist es nicht verwunderlich, wenn der pubertierende Junghund das von seinem Menschen gewünschte Verhalten nicht (oder einfach derzeit nicht) zeigen kann. Diese Phase geht vorbei und wenn wir unseren Vierbeiner dabei unterstützen, wird unser Hund zu einem zuverlässigen und angenehmen erwachsenen Hund heranreifen.
Tipps, was wir beachten und wie wir unserem PUBERTIER dabei helfen können, gibt es im 3. Teil dieser Serie.