· 

Nach Aufmerksamkeit heischen

Wodurch entsteht es bzw. wie wird es aufrechterhalten bzw. problematisch?

Der Hund dreht sich im Kreis à der Mensch findet das niedlich und lacht à das ist für den Hund eine Motivation (quasi eine Belohnung), das Verhalten häufiger zu zeigen!!!

Der Hund winselt oder bellt, wenn der Mensch sich mit jemandem unterhält. Der Mensch reagiert darauf (wenn auch vielleicht nicht freundlich … - aber dennoch: er reagiert), weil es störend ist. Diese Reaktion ist – auch wenn sie ggf. nicht freundlich ist – dennoch für den Hund belohnend, da er Aufmerksamkeit erhält!

Jede Aufmerksamkeit – ob bewusst oder unbewusst – kann das Verhalten verstärken è das gilt auch für den Einsatz von Strafe, da die Aufmerksamkeit für den Hund einen Erfolg bringt. Der Hund wird das aufmerksamkeitsheischende Verhalten immer öfter zeigen!

Unter Umständen kann der Hund dabei auch die Fähigkeit verlieren, die Verhaltensweise reizpassend zu starten und v.a. auch zu beenden! Das Verhalten wird „formkonstant“ bzw. „unflexibel“. Dies ist der Übergang zu einer echten Verhaltensstörung! Die „Ritualisierung des Verhaltens“ gibt dem Hund Sicherheit – es werden u.a. „Glückshormone“ ausgeschüttet und das Verhalten kann Suchtcharakter bekommen. Hierbei findet man häufig auch objektbezogenes aufmerksamkeitsheischendes Verhalten auf ein bestimmtes Spielzeug!

Achtung - das passiert im Alltag sehr häufig:

Szenario 1: Der Hund ist brav und ruhig und der Mensch kümmert sich nicht à der Hund fiepst: der Mensch schaut hin – der Hund vokalisiert immer mehr: der Mensch reagiert (freundlich/unfreundlich) à der Hund wird immer lauter und hat gelernt, immer mehr zu jaulen/bellen – bis der Mensch reagiert …

Szenario 2: Der Hund liegt ruhig und Mensch kümmert sich nicht à Der Hund steht auf: Mensch reagiert! à Der Hund wird immer zappeliger, weil er sonst nicht die Aufmerksamkeit seines Menschen erhält

Szenario 3: Der Hund sitzt brav und Mensch kümmert sich nicht à Der Hund springt hoch: Der Mensch reagiert und gibt womöglich sogar noch das Signal „SITZ“ – Hund setzt sich und bekommt eine Belohnung. Dadurch lernt der Hund leider nicht nur das „SITZ“, sondern die Verhaltenskette „HOCHSPRINGENàSITZ“ und er wird immer öfter Hochspringen, um danach für das Sitzen eine Belohnung zu erhalten.

Im Umkehrschluss heißt das, ruhiges und braves Verhalten lohnt sich für den Hund nicht (weil der Mensch es nicht zur Kenntnis nimmt), aber bellen/fiepen, hochspringen bringt mir Aufmerksamkeit und der Hund empfindet das als lohnend.

ÜblicherWeise ist die Haupt-Bezugsperson ein wichtiger Verstärker für das Verhalten!

Achtung: Reale Primärbedürfnisse generieren kein aufmerksamkeitsheischendes Verhalten – wenn der Hund pinkeln muss, und deshalb am Bein kratzt, generiert das kein aufmerksamkeitsheischendes Verhalten!!!
Durch Aufmerksamkeit verstärktes Verhalten ist meist schwierig zu löschen, da der Hund intermittierend verstärkt wird (mal gibt‘s Aufmerksamkeit [schimpfen], dann wieder nicht)!!!

Wie steuert man aufmerksamkeitsheischendem Verhalten ENTgegen?

Durch geschicktes Management! Man schafft Situationen, wo der Hund sehr wahrscheinlich kein aufmerksamkeitsheischendes Verhalten zeigen KANN – d.h. man überlegt sich, was man möchte und schafft die Umweltbedingungen so, dass der Hund die Situation gut bewältigen kann. Je besser man sich überlegt, welche Fehler passieren können, umso besser kann man die Umwelt entsprechend vorbereiten!

Anwendung der Lerntheorie! Erwünschtes Verhalten (braves/ruhiges Verhalten) trainieren, wahrnehmen, unterstützen und verstärken.

GANZ WICHTIG: Ruhe soll in kritischen Situationen immer belohnt werden – prophylaktisch!
Keinesfalls aber darf man mit dem Belohnen beginnen, wenn der Hund schon nach Aufmerksamkeit heischt!!! Denn eigentlich ist aufmerksamkeitsheischendes Verhalten ein supergutes, aber leider „entgleistes“ Lernverhalten!

WICHTIG: Die Belohnung / Ablenkung (Kauartikel, Schleckerli, …) darf nicht dann angeboten, wenn das unerwünschte Verhalten bereits begonnen hat, sondern bereits vorher bzw. eben stattdessen!

Eine andere Möglichkeit, die sich jedoch für Mensch und Hund NICHT gut anfühlen und die meist nicht durchgehalten werden kann, ist: Ignorieren (nicht anschauen, nicht angreifen, nicht ansprechen, nicht lachen, etwas Anderes tun (Blumen gießen, SMS schreiben, Facebook-Nachrichten lesen, …).
Das klappt nur bei Verhalten, die man aussitzen kann (wird bei Bellen schwer klappen, weil es uns Menschen meist unangenehm ist).

Wählt man das Ignorieren als Methode, falls der Hund ins aufmerksamkeitsheischende Verhalten kippt, muss man es wirklich IMMER DURCHHALTEN!!! Auch, wenn das Verhalten lange und ausdauernd und laut gezeigt wird!!! Würde man dann doch EIN MAL reagieren, wirft einen das wieder weit im Training zurück!
Alle Bezugspersonen müssen sich an die Regeln halten, da das Verhalten sonst am Kochen gehalten wird – jede Interaktion zum „falschen“ Zeitpunkt, wirft einen dramatisch zurück.

Die Optimierung von Beschäftigung / Grunderziehung dienen als unterstützende Eckpfeiler. Wichtig dabei ist, dass man sich dabei NICHT vom Hund starten lässt, sondern dass der Mensch selbst das Spiel oder Training startet und zwar immer nur dann, wenn der Hund schon eine ganze Weile ruhig und entspannt ist!
 
Michaela Artwohl
https://www.voeht.at/michaela-artwohl/