Sowie das Wetter wieder strahlender wird, erwachen sie aus dem Winterschlaf: die Tutnixe und ihre Menschen.
Hier ein paar Tutnix-Episoden aus meinem Leben:
Episode 1 – Für sowas gibt’s a Hundeschule!
Ein sonniger Tag 🙂 Eine Freundin und ich gehen gemeinsam spazieren.
Beide Hunde, Lisa und Jimmy, mögen einander und sie mögen ihre Hundefreunde.
Beide Hunde können aber gut auf Begrüßungen durch fremde Hunde verzichten.
Das ist übrigens nicht ungewöhnlich, denn als Canide lädt man die Nachbarn üblicherweise NICHT auf ein Bierchen ein 😉
Schon fast daheim, begibt sich folgende Situation:
Ein schmaler Weg – rechts und links zwar Weingärten, aber die Weingartenzeilen “queren” – man müsste also drunter durchschlüpfen, wollte man ausweichen.
2 Hunde kommen in etwas Abstand um die Kurve – Menschen sieht man noch nicht …
Die beiden Hunde – durchaus höflich – bleiben brav stehen und warten. Eigentlich sehr fein.
Nach einer Weile kommen die Menschen hinterher.
Meine Freundin bittet darum, die Hunde anzuleinen.
Die Antwort einer der beiden Damen: “Na sicher NICHT! Das sind Hündinnen! Und die eine ist noch nicht mal 1 Jahr alt!”
(Nicht ausgesprochene Anmerkung: “Danke für die Info! Sie ist für uns völlig unerheblich!”)
Meine Freundin kriecht mit ihrer Hündin unter den Weinstöcken durch und flüchtet.
Ich bleibe mit Jimmy stehen.
Die beiden Damen gehen weiter und somit auch ihre “Hündinnen”. Die beiden Hunde laufen auf uns zu und “umzingeln” Jimmy, der – wirklich brav und ruhig – an der lockeren Leine stehen bleibt.
Aber er fühlt sich gar nicht wohl.
Nach einer ganzen Weile – die “Hündinnen” umzingeln ihn noch immer – knurrt Jimmy.
Nun ja: Jimmy war ein intakter Kuvasz-Rüde 😉 Wenn Jimmy mal geknurrt hat, dann war das durchaus imposant!!! Tief, laut und bedrohlich …
Nun bekamen die beiden Damen dann doch etwas Fracksausen und rannten los, um ihre “Hündinnen” zu retten. Sie schnappten ihre Hunde und gingen ein Stück weiter.
Ich – immer noch freundlich (warum auch immer …) – spreche die beiden nochmal an und sage: “Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar gewesen, wenn Sie Ihre Hunde kurz angeleint hätten.”
Die Forsche der beiden Damen informiert mich: “Für sowas wie Sie gibt’s a Hundeschule!!!”
(Nicht ausgesprochene Anmerkung meinerseits: “Seien Sie froh, dass ich die Hundeschule bin, sonst wäre das anders ausgegangen mit einem Herdenschutzhund …!”)
Episode 2 – Hier ist keine Leinenpflicht, weil hier ist Jagdgebiet!
Elliot und ich gestern im Wald. Eine Kursteilnehmerin ruft an und der Handy-Empfang ist miserabel. Ich bleibe also am “Hotspot” stehen, um ihre Fragen zu beantworten. Elliot legt sich zu meinen Füßen, wie wir es geübt haben, wenn nichts Besonderes los ist und ich stehenbleibe.
Nach einer Weile schießen 2 Hunde aus dem Wald direkt auf Elliot zu und beschnüffeln ihn. Elliot liegt noch immer. Er fühlt sich nicht wohl, ist eingefroren!
Nach einer Weile steht Elliot auf – steht an der lockeren Leine neben mir. Die beiden Flitzerhunde sind immer noch da und haben wohl auch keine Lust, wegzugehen.
Die beiden “Fraulis” kommen noch mit einem dritten Hund, der schon laufend “ermahnt” wird, schön brav zu sein, es wäre alles OK ….
Die Fraulis lächeln mich an – sind sich offenbar nicht bewusst, dass mein Junghund in der Predouille ist. Körpersprache ist offenbar nicht so ganz ihr Fachgebiet.
Ich sage: “Mein Hund wird nicht so gern überfallen!”
Die Antworten darauf: “Überfallen? Wieso überfallen? Sie werden Ihren Hund noch aggressiv machen, wenn Sie den an der Leine führen! Und überhaupt ist hier KEINE Leinenpflicht, denn hier ist
Jagdgebiet!!!”
(Nicht ausgesprochen Anmerkung meinerseits: “Ihre Hunde sehen gar nicht aus, wie Jagdhunde! Sie sehen auch nicht aus, als hätten Sie einen Jagdschein! Es ist übrigens gerade Brut- und Setzzeit!”)
Auch diese Dame empfiehlt mir übrigens , in die Hundeschule zu gehen 😉
Ich rufe noch – diesmal schon pampig, sorry – nach, dass sie gern ihre Hunde laufen lassen kann, aber dass sie sie zu sich nehmen soll, wenn sie andere Hunde trifft und dass man in der
Hundeschule auch Leinenführigkeit und Rückruf lernen kann.
Episode 3 – Ah so? Die dürfen sich nicht “Hallo” sagen?
Ich spaziere mit Nellie und Niki eine Wiese entlang. Auf der anderen Seite der Wiese eine Dame mit freilaufendem Hund, die sofort auf uns zusteuert.
Ich rufe beide Hunde zu mir und gehe – soweit der Weg es mir erlaubt – weg. Die Dame bleibt auf Kollisionskurs …
Ich setze Nellie ab und nehme den kleinen Niki auf den Arm. Unbeirrt marschiert die Damen weiter.
Ich bitte sie, nicht näher zu kommen. Sie schafft es gerade noch, ihren Hund zu bremsen und biegt glücklicher Weise wieder ab. Während sie weg geht, erzählt sie ihrem Hund, dass “die armen Hunde nicht spielen dürfen” …
Hmmm …
Die “armen” Hunde dürfen nicht nur nicht spielen – die wollen auch nicht spielen. Niki hat Angst vor anderen Hunden, Nellie ist blind und kann fremde Hunde daher nicht ausreichend einschätzen.
Geschichten ohne Ende!
Derartige Stories habe ich ohne Ende auf Lager!
Vom Schäferhund, der Jimmy bespringt und den ich am Brustgeschirr herunterangeln muss und der dann, nachdem ich ihn an sein Frauli zurückgegeben habe, gleich wieder losgelassen wird und nochmal kommt und stänkert, während der intakte Herder ruhig bleibt und sich auf mich verlässt.
Über den völlig distanzlosen Labbi, der den Jimmy aus der Ferne anfixiert, auf uns losläuft und um mich herum dem Jimmy hinterherhetzt, bis ich ihn am Halsband raushole und an sein Herrli
zurückgebe. Woraufhin mir das Herrli dann noch erklärt, ich müsse nun noch warten, denn die Hunde müssten sich jetzt noch in die Augen schauen, das hätte ihm sein Trainer geraten …
Na dann viel Spaß bei der nächsten Begegnung! Bitte prüft, ob eure Trainer auch wirklich qualifiziert sind!
Bis hin zu Kursteilnehmern, die mit ihren Hunden wirklich fleißigst trainieren, aber z.T. schwere Verletzungen (Prellungen, gebrochener Daumen gebrochene Hüfte, …) davontragen, weil sie durch einen Tutnix zu Fall gekommen sind.
Man hätte als verantwortungsvoller Hundehalter ja kein Problem, würde es solche Situationen “nur” 1x pro Woche geben. Leider sind 5 Tutnixe pro Spaziergang mittlerweile keine Seltenheit mehr, und das, obwohl das Wetter eigentlich noch nicht mal super ist …
Gründe, sich nicht zu begrüßen …
s gibt viele Gründe, warum ein Hund “nicht spielen oder begrüßt werden will”.
Zuallererst ist ein echtes schönes Spiel idR nur unter befreundeten Individuen möglich. Was man sonst sieht sind häufig gestresste Hunde, die andere Hunde jagen, die andere Hunde hüten, die andere Hunde runterdrücken etc. und ihre sekkierten Gegenüber, die ggf. sogar in die Aggression getrieben werden, weil sie anders da nicht mehr rauskommen!
Dazugehörig sind Sprüche wie “die machen das schon unter sich aus” oder “die spielen so schön” (was echt selten der Fall ist …).
Leider sind die wenigsten Menschen im Lesen von Körpersprache ausreichend bewandert, um überhaupt zu erkennen, was gerade passiert.
Es gibt viele Gründe, warum ein Hund nicht in unnötige und überfallsartige Begrüßungen involviert werden mag und soll:
- Genetik – z.B. ist der Herdenschutzhund (Kuvasz, Kangal, etc.) genetisch darauf programmiert, zu verteidigen (sei es vertreiben oder töten …)
- Lernerfahrung – oft werden bereits Welpen zum Opfer von Tutnixen und leiden ihr Leben lang unter dieser/diesen schlechten Erfahrung(en)
- Training – ich selbst, aber auch meine Kursteilnehmer trainieren gezielt, dass ihre Hunde eben NICHT zu jedem anderen Hund hinlaufen und werden in ihren Bemühungen, den Hund gut zu erziehen, zu Fall gebracht
- Angst oder Unsicherheit – immer mehr Hunde kommen aus dem Tierschutz und haben ein großes Päckchen an schlechten Vorerfahrungen zu tragen
- Schmerzen/Krankheit/Rekonvaleszenz, Alter oder Behinderung – wie z.B. bei der blinden Nellie, der man nicht ansieht, dass sie blind ist, denn sie läuft ohne Leine und bewegt sich sehr sicher (was ich übrigens gezielt mit ihr trainiert habe)! Sie ist jederzeit abrufbar – d.h. ich rufe sie immer sofort zu mir, wenn jemand (egal ob Hund, Mensch, Pferd Radfahrer etc.) kommt. Dennoch lassen andere Hundehalter ihre Hunde ungebremst in uns hineinlaufen, was Nellie z.T. wirklich erschreckt!
- Und vieles mehr …
Eine Bitte, die vermutlich ungehört verhallen wird
Meine Bitte – die vermutlich ungehört verhallen wird: Bitte seid rücksichtsvoll und holt eure Hunde zu euch, wenn ihr anderen Menschen begegnet, insbesondere dann, wenn diese einen Hund an der Leine haben oder zu sich geholt haben oder offensichtlich nicht in Kontakt treten möchten. Ihr kennt die Hintergründe nicht – respektiert es dennoch!
Bis diese Bitte umgesetzt ist, werde ich nun Folgendes versuchen:
Ich werde die gelben Seiten nach einer ordentlichen Hundeschule durchforsten, damit ich künftig besser mit Begegnungen umgehen kann und mein Hund lernt, sich das selbst auszumachen 😉
Michaela Artwohl
https://www.voeht.at/michaela-artwohl/