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Hallo, ich bin der Neue!

frechdachs oder hasenfuss?

So forsch und frech mancher vierbeinige Neuling einzieht, das ist eher die Ausnahme. Doch oft schaut es ganz anders aus, wenn ein Hund aus dem Auslandstierschutz in seinem neuen Zuhause ankommt. Und sogar die Exemplare, die durchaus kess und vorwitzig wirken, sind in Wahrheit oft ängstlich und unsicher und machen nur einen auf dicke Hose, damit hoffentlich niemand merkt, wie viel Angst sie eigentlich haben.

 

Natürlich trifft vieles, was ich hier schreibe, auch auf andere Hunde zu, die neu bei ihrem/ihren Menschen ankommen. Ganz speziell aber denke ich dabei an die Notfellchen, die direkt von der Straße oder aus dem Shelter aus aller Herren Länder zu uns kommen und sich nichtsahnend in unserer Welt, in unserem Leben und mit unseren Regeln zurechtfinden müssen.

 

Denn die Welt, in der sie ihr bisheriges Leben verbracht haben, hat so gar nichts mit unserer gemein und die Tiere sind in keinster Weise auf das vorbereitet, was sie hier erwartet.

 

Kulturschock pur

Einige Glückspilze landen idyllisch und abgeschieden irgendwo am Land, weit weg von Straßenlärm und Stadtgeräuschen, bei verständigen Hundemenschen mit Ruhe, Hausverstand und Einfühlungsvermögen. Eine zu große Zahl von ihnen findet sich im städtischen Wohnblock oder in der Reihenhaussiedlung am Stadtrand wieder, mit einem für diesen Hund unvorstellbaren Tohuwabohu an Eindrücken, Bewegungen, Geräuschen und Gerüchen.

 

könnte es so gewesen sein?

Das erste Auto überhaupt hat Kimba ihrem bekannten Umfeld entrissen und „entführt“. Die Menschen, die daran beteiligt waren, sind unsanft vorgegangen, haben Kimba grob angefasst und sie in Angst und Schrecken versetzt. Die kleine Mixhündin war in ihrem ganzen Leben noch nicht IN einem Haus, immer nur in der Nähe, und schon gar nicht in einer 2-Zimmer-Wohnung im 4. Stock.

 

Erinnern Sie sich an Star Trek? In "The Inner Light" wird Captain Jean-Luc Picard von einer außerirdischen Sonde erfasst und in eine komplett andere Realität transportiert. Er erwacht auf dem Planeten Kataan, und lernt, die Herausforderungen einer bis dato unbekannten Zivilisation zu bewältigen.

 

Genauso geht es der kleinen Kimba und vielen ihrer vierbeinigen Kollegen. Auch die befinden sich von jetzt auf gleich in einem Paralleluniversum, dessen Sitten und Gebräuche ihnen völlig fremd sind.

 

Willkommen in der Geisterbahn

Angefangen vom morgendlichen Weckerläuten und der elektrische Zahnbürste über die Brotscheibe, die geräuschvoll aus dem Toaster springt, den „lebensgefährlichen“ Staubsauger, Raumdeos, Klimaanlage und Heavy Metal aus der Dose bis zum abendlichen Fußballschauen und dem Partylärm aus der Nachbarwohnung - das alles ist vermutlich der blanke Horror für den Neuankömmling!

 

Wie in der Geisterbahn, nie weiß man, wann und wo das nächste Gespenst herausspringt.

 

Wie gesagt, es sind wenige, die selbstbewusst und gelassen hier ankommen. Zunächst sind die meisten Ankömmlinge von der Reise und der intensiven medizinischen Vorbereitung (mehrfache Impfungen, Entwurmungen und sonstige Parasitenprophylaxe) geschwächt und erledigt.

 

Sie brauchen Ruhe und Sicherheit, dazu Ruhe und Sicherheit!

Vor allem brauchen sie Ruhe und Sicherheit!

 

Erwartungen versus Realität

Warum ich das hier so deutlich formuliere? Weil die Erwartungen, die HundehalterInnen an die Vierbeiner haben, diese Faktoren oft nicht oder zu viel zu wenig berücksichtigen.

Wie schön wird das Leben mit Hund sein, was möchte man nicht alles gemeinsam unternehmen, alle freuen sich schon so darauf – auch die Nachbarskinder und die Schulfreundinnen. Lange Spaziergänge, Radtouren, Wanderungen, Hundewiese, vielleicht Hundesport – die Liste ist lang.

 

Innerhalb weniger Tage soll der Neuzugang in der für ihn völlig unbekannten Galaxie ankommen und Regeln einhalten, die er weder kennt noch versteht. Selbst das Futter, das nach bestem Wissen und mit dem festen Vorsatz, dem Hund Gutes zu tun, ausgewählt wurde, ist fremd und wird eventuell sogar schlecht vertragen, verursacht im schlimmsten Fall sogar Übelkeit und Bauchschmerzen.

 

Auf das ganze Drumherum haben Sie keinen Einfluss. Der Straßenlärm und die Kirchturmglocken lassen sich nicht einfach abstellen. Auch auf das Geräusch des anfahrenden Fahrstuhls, den entgegenkommenden Radfahrer und das schreckliche Müllauto können Sie nur wenig einwirken, wenn überhaupt.

 

In vielen anderen Dingen dagegen sind Sie PlanerIn, GestalterIn und Ausführende.

Und letztendlich sind Sie die verantwortliche Person für die Sicherheit und das Wohlbefinden des Hundes, den Sie sich ausgesucht und zu sich geholt haben. Sie und niemand anderer sind dafür zuständig, dass Ihr Hund die Zeit, die Rahmenbedingungen und die Hilfe bekommt, die er braucht, um sich in seinem neuen Leben nicht nur zurechtzufinden, sondern sich dort entfalten und entwickeln zu können.

 

"Nein versteht er schon!"

So manche NeuhundebesitzerIn erzählt mir das nicht ohne Stolz. Mir tut dabei das Herz weh. Was für eine traurige Sicht auf das Leben! Zuallererst erlernt der "Neue", der ohnehin verängstigt und unsicher ist, was er alles NICHT tun darf.

 

5 Argumente gegen "Nein, Pfui und Aus!"

 

Dabei ist es viel nützlicher und wesentlich erfreulicher, Ihrem Neuzugang zu zeigen, was er alles darf und wie toll er ohnehin schon ist.

 

schaffen Sie eine ja-umgebung

Eine Ja-Umgebung basiert auf der Idee, durch bewusste Gestaltung der Umgebung/der Situation die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass der Hund erfolgreich ist und positive Erfahrungen macht. Das Hauptziel einer Ja-Umgebung ist es, Selbstvertrauen, Selbständigkeit und Motivation zu fördern - also ein Setting, in dem Ihre Kira ganz vieles richtig und nichts falsch machen kann.

 

Eine Ja-Umgebung ist die Grundlage dafür, dass Ihr Hund erkennen und erleben kann, "Hier bin ich sicher!" und "Diese Menschen, sind mir wohlgesonnen. Auch von ihnen droht mir keine Gefahr." Und ganz allgemein „Die Welt ist ein schöner Ort!“

 

Das sind wichtige Voraussetzungen, damit sich Ihr Neuer gut entfalten und entwickeln kann. Es braucht Sicherheit und Rückhalt, um sich neugierig in die Welt hinauszutrauen.

 

SIE SIND DER ERFOLGSCOACH IHRES HUNDES

Hindernisse und Einschränkungen lassen Sie so weit wie möglich außen vor. Stattdessen passen Sie Bedingungen und Ressourcen so an, dass Ihr Hund in der Lage ist, die gestellten Aufgaben zu bewältigen und so Erfolgserlebnisse zu haben.

 

Eine Ja-Umgebung basiert auf positiver Verstärkung und ermöglicht es, richtige Entscheidungen zu treffen und sich dadurch richtig gut zu fühlen: „Ich bin ein Held!“

 

Als Beispiel nehme ich die beliebten Intelligenzspielzeuge, die der Fachhandel bereithält. Stellen Sie sicher, dass Ihr Hund die Aufgabe bewältigen kann. Wer hat schon Freude an einem Spiel, das er nicht begreift und bei dem er nie zum Ziel kommt.

 

Mein kleiner Mogli zum Beispiel kannte keine Futtersuchspiele und die berühmte Kiste mit den leeren Klopapierrollen und der Handvoll Futter drin, hat ihn völlig überfordert. Er wusste gar nicht, wie er anfangen sollte. Also hieß es, zurück an den Start! Wir haben tatsächlich mit 2 solcher Rollen auf einem flachen Karton begonnen, um die rundherum feine Häppchen ausgestreut waren. Das kostete ihn auch schon Überwindung (die Pappkartons haben sich ja noch dazu bewegt), aber er hat es geschafft! Und so hat es nicht lang gedauert, und der kleine Zwerg konnte mit Begeisterung die Klorollenkiste oder eine Korkenschüssel wie auf dem Bild nach Futterstückchen absuchen.

 

Auch die Katze und die Kinder

Auch die Katze, die schon seit Jahren zur Familie gehört, hat Ihre Fürsorge und Vorsorge verdient. Statt panisch dazwischen gehen zu müssen, wenn Benny wie wild hinter dem Stubentiger her fegt, ist hier Management angebracht. Beispielsweise indem Sie in Form von Kindergittern dafür sorgen, dass sich Mieze jederzeit in Sicherheit bringen kann und aufregende Jagdsituationen gar nicht erst entstehen.

 

Aufgeregte Kinder, die sich schon soooo auf den Hund gefreut haben, können anstrengend sein, besonders für unsichere, frisch zugezogene Hunde, die vielleicht noch niemals mit Kindern zusammen waren und ihre Besonderheiten daher nicht kennen. In der ersten Zeit – und darüber hinaus - ist auch hier gutes Management wichtig, gemeinsam mit aufmerksamer Moderation der Begegnungen.

 

Die Kinder haben dabei ebenso Neues zu lernen wie der Hund, wenn der Familienalltag harmonisch verlaufen soll. Dinge einfach geschehen zu lassen und sich dann zu ärgern, weil sich etwas Ungutes entwickelt hat, ist kein guter Weg. Planung, Management und Üben, Üben, Üben.

 

Management bedeutet, Vorsorge zu treffen, damit es gar nicht erst zu blöden Situationen kommt. Dazu gehört, um ein einfaches Beispiel zu nennen, dass Sie die teure chinesische Bodenvase und den wertvollen Teppich erst einmal sicher verstauen. So besteht weder die Gefahr, dass Fiffi die guten Stücke kaputtmacht, noch dass Sie ständig aufpassen und "irgendwas" verhindern oder unterbinden müssen.

 

Auch eine entsprechende Sicherung an Brustgeschirr und Leine sollte selbstverständlich sein. Damit „verunmöglichen“ Sie dem Hund, dass er auf die Straße läuft, im Wald verlorengeht, Nachbars Hendl jagt oder den Fußball vom Sportverein „einsammelt“.

 

SCHRITT FÜR SCHRITT

Einen Hund aus dem Shelter, von einer griechischen Insel oder aus dem rumänischen Hinterland in unser Leben zu führen, kann eine ziemliche Aufgabe sein.

 

Es gibt sie, die Wunderwuffis, die sich in kürzester Zeit – sozusagen selbsterziehend - mit wenig Hilfestellung zu perfekten Begleitern entwickeln. Aber diese sind die Ausnahme. Die meisten vierbeinigen Zuzügler brauchen gute Rahmenbedingungen, viel Unterstützung, Aufmunterung und umsichtige Anleitung durch ihre Menschen.

 

Das Tempo bestimmt dabei allein der Hund. Wir Menschen haben die Aufgabe, die richtigen Voraussetzungen zu schaffen, Management zu betreiben und für positive Verstärkung an den richtigen Stellen zu sorgen.

 

An der Stelle möchte ich Sie auf eine ganz wunderbare Artikelserie hinweisen, die eine Kollegin, Susanne Junga-Wegscheider, über die Integration eines Tierschutzhundes geschrieben hat. Hier geht es zum 1. Teil: Silberfunken - Gildins Reise ins neue Leben.

 

Kompetente Begleitung zahlt sich aus

Leider ist mein beruflicher Alltag (und der vieler KollegInnen) voll mit Fällen, die es in dieser Form nicht geben müsste. Menschen wenden sich oft erst an uns, wenn sie schon völlig verzweifelt und die Hunde komplett neben der Spur sind. Trotz der besten Absichten, die man hatte, der romantischen Lassie-Bilder im Kopf und der Tipps aus den schlauen TV-Shows, ist der Hund ganz anders als beschrieben, völlig überfordert und kann die Erwartungen seiner neuen Familie bei weitem nicht erfüllen.

 

Bitte warten Sie nicht so lang: Im Idealfall verabreden Sie sich mit der TrainerIn Ihrer Wahl, bevor Ihr neues Familienmitglied einzieht. Vielleicht lassen Sie sich sogar schon bei der Auswahl beraten, das wäre keine schlechte Idee. Glauben Sie mir, gute Vorbereitung ist Gold wert und erspart später viel Kummer und Sorgen – Ihnen und dem Hund. Zu viele Hunde, werden mit allerbesten Absichten adoptiert und verlieren dennoch ihr Zuhause wieder, um erneut im Tierheim zu landen.

 

Auch in Ihrem Umfeld findet sich bestimmt eine geeignete Fachperson. Die KollegInnen der VÖHT sind allesamt eine gute Anlaufstelle, wenn es um die Integration eines Tierschutzhundes geht.

 

Ich wünsche Ihnen viel fröhliches Wedeln in Ihrem Leben

 

Fotos: Karin Immler

Anmerkung der VÖHT:

Die Blogtexte geben die individuelle Meinung und Herangehensweise der Autorin, des Autors wieder.