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Warum bekommt Gewalt diesen Platz?

Wenn Gewalt ihren Platz im Training findet!

Gewalt findet ihren Platz, besonders in quotenstarken TV-Formaten. Das gilt auch und insbesondere für Sendungen rund ums Hundetraining.

 
Bedrückender Weise ist das nicht erstaunlich und es gibt einen einfachen Grund dafür: Gewaltanwendung ist simpel, anspruchslos und für den Zuschauer spektakulär. 
 

 

Jeder ist in der Lage, Gewalt anzuwenden.

Sie hinterlässt allerdings oft einen unguten, störenden moralischen Stachel im Gewissen der Verursacher. Die Legitimation durch vermeintlich kompetente Instanzen in den Medien beruhigt rasch das schlechte Gewissen. Das macht diese Formate beliebt – sie suggerieren, Stoßen, Schlagen, Kicken, Zwicken etc. wären legitim, professionell und die Lösung des Problems.
 

Fernsehen als Vorbild?

So geschehen in einer Anfang September im deutschen Fernsehen ausgestrahlten Sendung. Der Ablauf zur Legitimation der angewandten Gewalt ist so simpel wie bewährt:  Zunächst wird der Hund - wohlgemerkt in diesem Fall ein Welpe, ein Babyhund - als „penetrant“, „fies“, „rotzfrech“ und vor allem „aggressiv“ bezeichnet. Daraus resultiert vollstes Verständnis des derart vorbereiteten Publikums, dass jetzt eine handfeste Lösung her muss. Ein so aggressiver Hund und die Angst der Halterin um ihre zwei Kinder – wenn das keine Berechtigung zur Gewaltausübung ist!?
 
Im nächsten Schritt wird dargelegt, was bereits alles versucht wurde, um dem Verhalten Einhalt zu gebieten. Der Welpe wurde unter anderem in Ohren und Lefzen gezwickt, gepackt und auf den Rücken geworfen. (Dabei handelt es sich wohlgemerkt um Methoden aus dem Mittelalter der Hundeerziehung.) Doch der Hund ist nach wie vor unbelehrbar! Ein aussichtsloser Fall?
 

kompetente Hilfe!?

Rettung naht in Form der Trainerin – eine solche Fachperson MUSS ja schließlich wissen, was zu tun ist. 
Das Publikum ist inzwischen dafür präpariert, gut zu heißen, was auch immer nun mit dem Hund geschieht. Er hat es sich ja schließlich selbst eingebrockt, frech und renitent, wie er ist.
 
Die Retterin in der Not lockt den Hund mit einem Keks in der Hand, hingehockt und mit einladender Körpersprache. Die unerwartete Freundlichkeit und der Leckerbissen verleiten den Welpen. Doch statt des Futterstückchens, das so verführerisch dargeboten wurde, gibt es Stöße in die Seite. Das tut weh und erschreckt den Welpen. Er quietscht auf, geht auf Abstand. Eine wirklich vertrauensbildende Maßnahme, ein trainerisches Meisterstück, einen kleinen Hund erst zu anzulocken und dann zu verstören! 
 
Vermeintliche Fachleute!!! scheinen zu beweisen, dass Handgreiflichkeit nicht nur eine zielführende Lösung sind, sondern auch legitim und moralisch vertretbar wären. Niemand braucht sich mehr Gedanken zu machen, wenn er den eigenen Hund derartig einschüchtert. Keiner braucht ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn er auf diese Weise dem eigenen Hund „Grenzen setzt“!
 

 

Das ist es, was in dieser Fernsehsendung transportiert wird.

Abseits vom Scheinwerferlicht kommt die Wahrheit ans Licht:

Ein 16 Wochen junger Hund, der in seinem kurzen Leben bereits eine ganze Reihe schmerzhafter und angsteinflößender Erfahrungen mit seinen Menschen gemacht hat. Doch das Etikett „höchst aggressiv“ legitimiert diese Behandlung!? Ein Etikett das quotentauglich einem Welpen, einem Baby verpasst wird.

 
Ein Hundekind, das seine Verunsicherung deutlich zeigt, dennoch auch immer wieder richtige Dinge tut, die konsequent übersehen und ignoriert werden. Keine Hilfe seiner Menschen, keine Anleitung, kein Ausweg! Alleingelassen im Konflikt und (viel zu früh) alleingelassen im Leben. 
 
Anstatt dem kleinen Schutzbefohlenen dabei zu helfen, das zu erlernen, was man von ihm erwartet, unterstellt man ihm Bösartigkeit, bedroht und drangsaliert den „supertoller Familienhund“ (Zitat).
 
Nicht genug, dass man den so jungen Hund (ein Baby) einfach alleine lässt, wird er von seiner Bezugsperson auch noch auf den Rücken geworfen und damit an Leib und Leben bedroht. Was hier geraten wird und wurde, gibt dem Welpen jedenfalls völlig recht darin, dass er Angst um sein Futter oder Spielzeug haben muss, dass Menschen unberechenbar und grausam sind und er weder Schutz noch Unterstützung erfährt.

Was in dieser Sendung gezeigt wurde, ist moralisch völlig abzulehnen und eine Schande für unseren ganzen Berufsstand.

Kein verantwortungsbewusster Trainer, keine verantwortungsbewusste Trainerin lockt einen Hund, noch dazu einen Welpen, in eine Falle! Das tut man einfach nicht! 
 
Kein verantwortungsbewusster Trainer, keine verantwortungsbewusste Trainerin empfiehlt, einem Welpen gewaltsam das Maul zu öffnen. Solche Empfehlungen können zu späterem Aggressionsverhalten führen - schon alleine um sich selbst zu schützen vor gewaltsamen Übergriffen. Verantwortungsbewusste Fachpersonen üben auf freundliche Weise Tauschen und Abgeben und zeigen dem kleinen Hund, dass er keine Angst um sein Futter zu haben braucht, dass man Menschen vertrauen kann. 
 
Kein verantwortungsbewusster Trainer, keine verantwortungsbewusste Trainerin setzt Strafe im Sinne des Zufügens von Schmerzen und Angst als Methode ein. Strafe sagt dem Hund nicht, was er hätte tun sollen. Sie hemmt lediglich Verhalten und beweist, dass der Mensch unberechenbar und gefährlich ist. 
 
Verantwortungsbewusste Fachpersonen überprüfen den Tagesablauf des Welpen und sorgen für Ruhezeiten und Rückzugszonen. Sie geben Anleitung für Management, klare Absprachen und umsichtige Alltagsgestaltung, die die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt. Kleine Hunde brauchen wie kleine Menschen ausreichend Schlaf und regelmäßige Ruhezeiten, um sich gut zu entwickeln.
 
Verantwortungsbewusste Fachpersonen sorgen für einen Umgang, der Vertrauen zwischen Mensch und Hund herstellt, anstatt Misstrauen und Angst zu provozieren. Misstrauen, Angst und Unsicherheit sind die Wurzeln von Aggression. 
 
Verantwortungsbewusste Fachpersonen forschen nach der Ursache unerwünschten Verhaltens, um daraus die richtige Strategie zu entwickeln. In diesem Fall könnten beispielsweise zu wenig Ruhe, Schmerzen durch den Zahnwechsel, Verunsicherung und Überforderung durch den überwältigenden Alltag etc. mit in die Überlegungen einfließen.  
 
Erlebt ein Hund Menschen als nicht vertrauenswürdig und aggressiv, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er eines Tages dieser Erfahrung entsprechend agieren wird. Verantwortungsbewusste Fachpersonen vermeiden – ganz besonders in einem Haushalt mit Kindern – jeglichen aggressiven Umgang mit Mensch und Hund. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Kinder sich diese Form des Umgangs abschauen und dadurch in Gefahr geraten. Wollen wir Kindern wirklich vorleben, dass Gewalt ein gangbarer Weg im Umgang mit Mitgeschöpfen ist, deren Verhalten man nicht versteht und nicht möchte?
 

Warum bekommt Gewalt diesen Platz im Hundetraining?

Gewalt findet dort Platz, wo Lücken sind. Diese entstehen durch das Fehlen von Empathie, Wissen um Hundeverhalten, handwerklichem Können und gründlicher Anamnese und Zielorientiertheit.

 
Die Lücken in dieser Sendung waren klaffend, unzureichend kaschiert und übertüncht mit flapsigen Reden. Und sie haben viel Platz geschaffen, Platz für Gewalt.
 
Sind solche Lücken in unserer Zeit mit all ihren Möglichkeiten der Fortbildung und all dem Wissen, das uns zur Verfügung steht, noch entschuldbar?
 
Ist es entschuldbar, billigend in Kauf zu nehmen, dass Gewalt in der Mensch-Hund-Beziehung salonfähig gemacht und in die Wohnzimmer transportiert wird, um Einschaltquoten und Publicity zu generieren?
 
Diese Sendung stellt wahrlich einen Tiefpunkt in der Geschichte des TV-Hundetrainings dar. Einen Tiefpunkt, den wir bereits überwunden glaubten. 
 

 

Eine chance für die zukunft

Und so bietet dieser Tiefpunkt, trotz Allem, eine Chance, dieses Thema ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, und die Lücken zu schließen, damit sich kein Platz mehr findet für Gewalt im Hundetraining.

 

 

Mit herzlichen Grüßen

eure und Ihre

VÖHT - Vereinigung Öst. HundeverhaltenstrainerInnen

www.vöht.at


Fotos: Karin Immler