· 

Ressourcenaggression – darf Hund das?

Eine Hündin namens Gilthoniel hat die Antwort...

Eine Ressource ist etwas, das für jemanden wichtig ist – sonst wäre es keine und hätte keinen Wert.
Hier ist „jemand“ unser Hund, die Ressource etwas, das er hat, und gerne behalten würde.
Eben, weil es ihm wichtig ist.
Nachdem Hunde im Schreiben von Schildern naturgemäß nicht so bewandert sind wie wir Menschen, teilt uns der Hund dies eben auf Hundeart mit.
Gehört und verstanden wird die Mitteilung von uns oft erst, wenn sie ziemlich deutlich ist, weil wir halt im Lesen von Hundekommunikation naturgemäß nicht so bewandert sind wie Hunde.

Der Moment der Erkenntnis birgt einen gewissen Schrecken: „Mein Hund hat ein Ressourcenthema!“

 

Nun gibt es zwei Wege, es anzugehen

– einer führt vom Regen in die Traufe:


Das ist der, der das Verhalten als ungebührliche Frechheit labelt, die unseren Rang in Frage stellt, und darin mündet, dass versucht wird, das durch auf den Tisch (oder auf den Hund…) Hauen wieder abzustellen. Um die Katastrophe perfekt zu machen, kann man auch den Hund mit Rappeldosen bewerfen, oder man kann versuchen, ihm vermeintlich hundlich durch Knurren und Rumprollen mitzuteilen, dass man das Schweineohr jetzt selbst essen mag. Man kann auch ausprobieren, den Hund zu fixieren, so zu tun, als wolle man das Ding gar nicht, ihn dabei zu loben, und es ihm im Moment der Unachtsamkeit aus dem Maul zu nehmen.

 

Alles schon da gewesen.


Alles schon schief gegangen.

 

Teilweise ordentlich.


Warum?

 

Weil hier an keiner Stelle nach dem Warum und der Funktion des Verhaltens gefragt wurde.


Dabei ist dies gerade bei Ressourcenaggression meist ziemlich einfach zu beantworten - und das geschieht auf Weg zwei, der Hund und Mensch ganz ohne Konflikt und Löcher aus dieser Falle heraus bringt!

Am besten wäre es natürlich, das Thema gar nicht erst entstehen zu lassen.

Das ist das Einfachste. Man schlage dazu glorreiche Ratschläge wie „Immer in die Futterschüssel fassen oder sie zwischendurch wegnehmen, das muss sich der gefallen lassen!“, „Objekt determiniert und kommentarlos aus dem Maul nehmen, knurren ignorieren!“ in den Wind.

Statt dessen lerne man Tauschen.
Ein wunderbarer Videotip dazu ist von Chirag Patel „Drop it!“.
Die eleganteste, positivste, sicherste Lösung, seit es Ressourcen gibt!

Ist das Thema schon mal da, weil man irgendwie nicht richtig informiert wurde oder der Hund einen Rucksack an Vorgeschichte mitbringt, beantworten wir zunächst die beiden Fragen von oben – und haben damit die Lösung vor der Nase.

 

Gilthoniel, unsere eigene Hündin, ist uns dabei behilflich. Sie verteidigte bereits als Junghündin den Ort, an dem sie Stunden vorher etwas gefressen hatte, bis auf’s Blut. Wortwörtlich.

 

Also:

„Gilthoniel, warum eskalierst du so, wenn es um dein Essen geht?“

„Ich hab schon als Welpe erfahren, dass mir lebenswichtige Dinge weggenommen werden, wenn ich mich nicht so wehre. Ich hab ständig Angst davor, dass das wieder passiert. Wenn die Angst da ist, kann ich nicht mehr überlegen, ob du das Ding denn wirklich willst, oder ob der alte Schäfer vielleicht nur vorbei gehen will. Dann geht’s in meinem Kopf nur noch um’s Überleben.“

„Ok, und was bezweckt dein Hirn damit, dass es dich knurren und die Zähne ausfahren lässt?“

„Wenn ich den anderen vertreibe, ist mein Essen in Sicherheit, ich werde satt und überlebe. Die Angst vergeht dann, wenn der Andere wegspringt. Es hat meistens funktioniert. Deshalb bin ich noch da.“

 

Was wir hier lesen, sind schlicht formulierte neurobiologische Vorgänge und Verhaltensfunktionen.

 

Also, worum geht es?

Um das Bedürfnis nach Sicherheit. Das grundlegendste Bedürfnis von allen.
Überlegen wir kurz die Maßnahmen von Weg eins. Steigert etwas davon die Sicherheit?
Nein.
Deshalb geht er auch schief.

Welche Lösung gibt es im Anbetracht dieser Erkenntnis für die Gilthoniels dieser Welt?
Schafft einen sicheren Raum. Entfernt die Bedrohung – ob jetzt euch, die anderen vierbeinigen Hausgenossen, oder alle miteinander.
Damit kreiert ihr Entspannung und Sicherheit, wo zuvor die Angst regiert hat.

 

Bei Gilthoniel lief es über ihr „Magisches Deckchen“.
Das Deckchen war der Ort, an dem sie alles Wertvolle bekam, und wo sie die absolute Garantie hatte, dass sie niemand behelligen wird. Das Deckchen wanderte mit der Zeit, bis es im Wohnzimmer lag. Gilthoniel war sich dieser Sicherheitszone so bewusst, dass sie keinen Grund mehr zur Angst hatte – und damit verschwand das Verhalten.
Verlies sie nach Konsumation ihr Deckchen, wurde es zusammen gelegt und weggeräumt.


Damit gab es nichts mehr zu verteidigen, die Situation hatte ein klares „Ende“-Signal.

 

Parallel dazu lernte Gilthoniel zu tauschen – relativ Wertloses zu Beginn gegen Jackpots.
Ihre Erwartungshaltung änderte sich.
Von „Ich darf auf keinen Fall etwas rausrücken, dabei verliere ich!“ zu „Oh cool, nimm die blöde Socke, ich weiß, ich krieg was Besseres!“
Ja, sie durfte auch eine Zeitlang proaktiv Handel mit uns betreiben – viel Angst kann nur durch viele Beweise der Sicherheit vertrieben werden.
Der Satz „Oh, was hast du denn da?“ wurde zum perfekten Signal für „Spuck’s bitte aus, ich mag es sehen und tausche, oder du nimmst es dann einfach wieder!“, das universell einsetzbar wurde. Auch unterwegs, und zuhause.

Fällt mir heute beim Kochen etwas von der Arbeitsplatte, ist Gilthoniel die Erste, die nicht gierig hinterdrein fährt, sondern sich zu mir stellt und fragt, ob ich etwas Anderes für sie habe. Das darf dann auch ein Wenig dauern, dass muss auch nicht mehr der Honigschinken sein.
Wir haben einfach keinen Stress mehr damit.


In keiner Hinsicht.
Weil die Angst durch die Gewissheit der Sicherheit ersetzt wurde.

Zeigt euer Hund solche oder ähnliche Verhaltensweisen, lasst euch von den Expert:innen der VÖHT helfen!

Susanne Junga-Wegscheider

Diplompädagogin und tierschutzqualifizierte Hundetrainerin

www.grinsehunde.com

www.vöht.at/susanne-junga-wegscheider

 

 

Fotos: Susanne Junga-Wegscheider, poxabay

Anmerkung der VÖHT:

Die Blogtexte geben die individuelle Meinung und Herangehensweise der Autorin, des Autors wieder.