... und meistens als man plant.
Ich versuche im Leben so gut es möglich ist, Dinge zu planen. Ist ja wichtig, Schließlich möchten wir wissen, was in Zukunft so ansteht. Allerdings, gelingt mir das nicht wirklich. Hier eine Geschichte, wie es wohl so einigen Hundebesitzern geht, wenn auf einmal alles auf den Kopf gestellt wird und der gewohnte Alltag eben keiner mehr ist.
IM SOMMER 2024
habe ich von einem Tierschutzverein, mit dem ich schon seit einiger Zeit immer wieder Kontakt hatte, den Anruf bekommen, ob ich nicht vorübergehend für ein paar Tage eine etwas scheue Hündin bei mir aufnehmen könnte. Auf ein paar für mich wichtige Fragen, bekam ich keine Antwort, nur, dass die junge Hündin auf der aktuellen Pflegestelle aufgrund eines Vorfalles mit einer anderen Hündin nicht bleiben kann.
Wir hatten in den vergangenen Jahren sehr große Hundegruppen zu Hause, Hunde welche wir von „Züchtern“ rausgekauft hatten, Hunde mit schwieriger Vergangenheit, doch immer, hatten mein Mann und ich einen guten gemeinsamen Weg mit den Vierbeinern gefunden und so manches aus oft Vernachlässigten „Fellen“ rausgeholt. Da unser Zuhause relativ „ausbruchsicher“ ist, einen ebenerdigen Zugang hat, ich die vorhanden beiden Hunde von der „Neuen“ trennen konnte und es ja „nur“ für ein paar Tage sein sollte, sagte ich zu.
griechische prinzessin mit grossem gepäck!
Mir ist bewusst, dass jedes Lebewesen seinen Rucksack mitbringt: der eine ist größer, der andere kleiner. Doch diese kleine griechische Prinzessin hatte einen riesengroßen Koffer voller Ängste, Panik und Sorgen mitgebracht, die mich als Mensch und als Hundeverhaltenstrainer an meine Grenzen brachte.
Die Tage vergingen und so langsam kam immer mehr ans Tageslicht:
Jana, so der Name unserer Prinzessin, hatte eine schwere Deprivation, kannte gar nichts, keine Autos, Fahrräder, Menschen, andere Hunde, keine Tagesabläufe, Leinegehen – sie hatte auch keinen Bezug zu ihrem Namen. Autofahren: weit gefehlt, alleine bleiben: schon gar nicht. Das man sein Pipi Geschäft draußen verrichtet, war ihr fremd. Stellt man ihr den Futternapf hin, weicht sie zurück. Was sie gut kann: überall rauf steigen, rauf klettern, Barrieren um räumlich getrennt zu sein, werden spielend überwunden, rausgerissen. Alles was sie findet, wird zerstört, in kleinste Futzelchen zerstückelt, zerfetzt. Futterdosen egal welcher Art, werden aufgebissen und alles sofort verzehrt. Sämtliches Fressbare (und auch nicht Fressbares) wird angeknabbert. Muss ich sie kurz alleine lassen, wird in Panik auf das Fenster gehüpft und der gesamte Fensterstock zerkratzt.
LIVING IN A BOX?
Es dauerte Tage, Wochen, bis ich verstand, dass es nicht das Autofahren per se, war, warum sie in Bächen speichelt, sondern vielmehr das „In-der-Box-eingesperrt-sein“.
Mir ist halt die Sicherheit aller Passagiere im Auto sehr wichtig, also war auch Jana in einer Box. Zwar hatte ich jene Hundebox vermieden, in der sie "geliefert" wurde und ihr eine größere von unseren zur Verfügung gestellt, aber mir war lange nicht klar, dass es hauptsächlich diese Enge ist, die Jana eine Panikattacke bescherte.
Nun ist es halt so, dass in meinem Tagesablauf entweder die Hunde mit mir mitfahren oder ein paar Stunden zu Hause alleine bleiben müssen. Beides ging mit Jana nicht (und geht auch heute Großteils noch nicht!).
Der Tierschutzverein lies wochenlang auf sich warten. Ich sagte immer wieder einer weiteren Verlängerung zu, irgendwie schafften mein Mann und ich, dass wir uns abwechseln konnten und einer immer zu Hause war. Aber diese Ungewissheit, mein Zorn auf den Verein und vor allem auf mich selber, dass ich sowas zugelassen hatte, blockierte mich in meinem Tun über Monate. Unpassende Pflegestellen wurden nach gut 6 Wochen an mich verwiesen, eine weitere Hundetagesstätte, wo Jana ein paar Tage bleiben sollte um dann wieder zur nächsten Stelle zu wandern, habe ich energisch abgewunken.
Und irgendwann kam der Punkt, da ging gar nichts mehr.
Einerseits, war ich stolz, als diese kleine Maus ihren eigenen Kopf entwickelte – andererseits rieben wir beide uns gegenseitig regelrecht auf. Ich kam nicht mehr weiter! Für mich war zu diesem Zeitpunkt noch klar, dass sie weiterziehen wird. Ich war auf einen weiteren Hund nicht vorbereitet, wollte eigentlich aktuell keine drei Hunde. Mit den vorhanden beiden war ich vollends ausgelastet, alles ging so easy …. Und nun ging gar nichts mehr!
Eine Trainingswoche musste ich absagen, weil ich sie nicht mitnehmen konnte. Ich musste sie im Auto dabeihaben, wenn keiner zu Hause war. Zu Hause lassen ging nicht, sie hat alles angepinkelt, es durfte nichts herumliegen, das wurde zerstört. Im Auto kam sie darauf, dass man auf die große Hundebox raufspringen kann und ist rückwärts, weil ein Heckaufsteller einkeilt war, bei dem Zwischenspalt hinaus und stand plötzlcih mitten am Einkaufsparkplatz. Von da an durfte keine Öffnung beim Auto mehr vorhanden sein, weil ich nie wusste, ob sie den Spalt zum Ausbrechen nutzen würde. Keine Essbaren Teile liegen lassen, alles wird vernichtet. Da sie ja IN einer Box nicht sein kann, liegt sie immer frei in der Mitte in meinem großen Bus (während der Fahrt mit einem Gurt gesichert).
Der Tag der Tage kam!
Für den Tierschutzverein war ich die Böse und selbst Schuld, ich hätte Jana ja schließlich in der Hundetagesstätte abgeben können.
Und so kam der Tage der Tage, ich lies alles liegen und stehen, einfach für ein paar Stunden weg. Ich habe mich mit meiner besten Freundin gestritten (die übrigens von Anfang an gewusst hat, dass Jana bleiben wird ;)), habe stundenlang mit Trainerkollegen/innen telefoniert, um all das präsentiert zu bekommen, was ich meinen Kunden immer wieder versuche klar zu machen: dass es ein liebenswürdiges Lebewesen ist, welches nichts dafür kann, wo es geboren wurde, wohin man sie gesteckt hatte, was sie alles erleben und eben NICHT erleben durfte und das es Zeit, viel Liebe und Geduld braucht, um Wachsen und Reifen zu können.
Als ich heimkam, wurde mir bewusst, dass sie bleiben wird, und ich aufhören würde, einen Platz für sie zu suchen, denn den hatte sie bereits. Nach einer weiteren Tierkommunikation kamen noch ein paar Details zu Tage, welche gewisse Verhaltensweisen bestätigten.
Und plötzlich war alles anders
Ab diesem Zeitpunkt, kamen wir bestens miteinander klar, konnte sie zu Hause ein wenig alleine bleiben – ohne gleich wieder ins Vorhaus zu pinkeln, muss sie raus um sich zu lösen, kommt sie mich holen oder meldet, geht zur Türe und wartet, dass ich diese öffne.
Autofahren zählt zwar noch immer nicht zu ihren Favoriten, doch sie tut es – ich denke, sie tut es mir zu Liebe. Sie kann sogar im Wagen warten, für einige Zeit ohne gleich alles zu zerstören. Und sie darf zwischenzeitlich sogar frei laufen, der Rückruf klappt perfekt.
Wir beide sind noch meilenweit von einem „normalen“ Tagesablauf entfernt, aber wir nähern uns immer mehr. Jana darf so vieles nachholen, was ihr in ihrer wichtigsten Lebensphase des Aufwachsens verwehrt blieb.
Wir Hundetrainer/innen sind auch „nur“ Menschen und ja, sicher, haben wir den Vorteil unserer Ausbildung, unser Wissen gegenüber anderen Hundehalter/innen. Doch sind wir nicht davor gefeit, vor denselben Herausforderungen zu stehen, wie alle anderen auch.
Es ist wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen – in jeder Hinsicht.
Ich danke allen Kollegen/innen für die wertvollen Gespräche, meiner Freundin für die wahren Worte und meinem Mann für sein Verständnis.
Elke Mlakar
ganzheitlich orientierte Hundeverhaltenstrainerin
Ernährungsberaterin
Assistenzhundetrainerin
staatl. gepr. Therapiebegleithundeteam
www.murtal4dogs.at
Juhu BLOGPARADE!!!
Viele, viele HundetrainerInnen gibt es in der VÖHT, die viele, viele Hunde haben (hatten). Was liegt näher, als darüber zu schreiben, was wir als HundetrainerInnen mit unseren Hunden erlebt, von ihnen gelernt oder ohne sie niemals gemacht hätten.
Also haben wir kurzerhand eine Blogparade ins Leben gerufen.
hundeTRAINERINNEN UND IHRE HUNDE
Foto: Elke Mlakar
Anmerkung der VÖHT:
Die Blogtexte geben die individuelle Meinung und Herangehensweise der Autorin, des Autors wieder.